§ 110 Abs. 1 a SGB VII – die Keule für den Unternehmer?

Stichworte: § 110 Abs. 1 a SGB VII, Unternehmerhaftung, Scheinselbstständigkeit, Regress der Berufsgenossenschaften, unbegrenzte Haftung, hohes Haftungsrisiko, Insolvenzrisiko, Rechtsweg für Regress, Sozialgericht, Bundesgerichtshof Beschluss vom 14. April 2015 Az. VI ZB 50/14, Taxiunternehmen.

Wer kennt diese gesetzliche Regelung?

Der BGH (Beschluss vom 14. April 2015 Az. VI ZB 50/14) formuliert so: „Für die gerichtliche Geltendmachung des einem Unfallversicherungsträger gegen einen Unternehmer im Falle der Schwarzarbeit zustehenden Regressanspruchs nach § 110 Absatz 1a SGB VII ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten und nicht der Zivilrechtsweg eröffnet.“

Was war passiert?

Der Betrieb: ein Taxi und Mietwagenunternehmer.

Die Klägerin: Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der Taxifahrer wurde von einem Fahrgast überfallen und schwer verletzt. Er wurde ins Krankenhaus gebracht, dort wurden erhebliche Kosten, vor allem Behandlungskosten, ausgelöst, für die zunächst die Berufsgenossenschaft zuständig und einstandspflichtig war.

Diese verlangt nunmehr ihre von ihr verauslagten Kosten in erheblicher Höhe von dem Taxiunternehmer ersetzt.

  • 110 Absatz 1a SGB VII ist ein Sonderrecht eines Trägers öffentlicher Aufgaben. Dies ist die Berufsgenossenschaft, die dafür einspringt, wenn Arbeitnehmer oder sonstige versicherte Personen bei einem Unfall gesundheitliche Schäden erleiden.

Obwohl diese gesetzliche Regelung Sozialversicherungsrecht ist, kommt ihr, so auch die Meinung des Bundesgerichtshofs, in erster Linie Strafcharakter zu.

Der Unternehmer wird dafür bestraft, dass er die Normen des Sozialversicherungsrechts nicht beachtet, nämlich die ihm auferlegten Melde-, Beitrags -, oder Aufzeichnungspflichten als Unternehmer gem. § 28 SGB IV, §§ 150,165 SGB VII.

Wohlgemerkt: Diese gesetzliche Regelung ist nicht nur eine Regelung, um das richtige Gericht zu finden!

Die Strafe ist in der Höhe unbegrenzt!

Werden durch die Nichtbeachtung der einschlägigen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften bei der Abrechnung eines Arbeitsverhältnisses Beitrags und Aufzeichnungspflichten verletzt, ist sehr schnell der Tatbestand der Schwarzarbeit erfüllt, § 1 Abs. 2 Nr. 1 Schwarzarbeitsgesetz. Der Unternehmer haftet für Kosten, die beim Vollzug dieser Tätigkeit entstehen.

Worin besteht nun dieser Strafcharakter? Dieser zeigt sich insbesondere bei den Höhen der Ansprüche.

Nicht nur der Tagessatz des Krankenhausaufenthaltes (ca. 500,00 €), die Arztkosten, sondern auch alle weiteren zivilrechtlichen Ansprüche, die infolge der Verletzungshandlung gegenüber dem Mitarbeiter eintreten, werden vom „Strafcharakter“ der Vorschrift erfasst.

Wenig Fantasie gehört dazu, sich auszumalen, in welche Höhen zum Beispiel Unterhaltsansprüche sich belaufen können, oder gar Verdienstausfallansprüche. Auch eine Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit gehört hierher, je nach Brutalität des Angreifers.

Diese werden in der Regel in der Höhe beziffert, wie sie entstehen. Wenn Arbeitnehmer bis zum 65. Lebensjahr oder länger, also bis zum Eintritt der gesetzlichen Altersrente, arbeiten, und frühzeitig so verletzt werden, so dass sie dieses Ziel nicht mehr erreichen, erhalten Sie ihren Verdienstausfall bis zu diesem Zeitpunkt ersetzt als Ausgleich für den Verlust der Erwerbsfähigkeit.

1.000.000 € sind da schnell erreicht. Nicht umsonst sind die gesetzlichen Haftpflichtversicherungsvorschriften so gestrickt, dass in der Regel ein Fahrzeug gegen Personenschäden, welche es verursacht, in Höhe von mehreren Millionen Euro versichert ist.

Nichts anderes liegt dem Anspruch nach § 110 a SGB VII zu Grunde. Am konkreten Fall des Bundesgerichtshofs festgemacht, blieben die Ansprüche dort in der Höhe übersichtlich.

In anderen Fällen jedoch dürfte der Taxiunternehmer angesichts der Anspruchswelle, die auf ihn zurollt, keinen großen finanziellen Spielraum mehr haben. Der Gedanke, wegen der höheren Ansprüche Insolvenz anmelden zu müssen, liegt nicht sehr fern.

Was ist zu tun? Alle Mitarbeiter Verhältnisse, seien sie (angeblich) frei oder nicht frei, müssen auf den Prüfstand. Insbesondere in den Branchen, die ins Visier der Prüfstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund geraten sind, Transportunternehmen, Fahrdienste, Taxiunternehmen etc..

Wenn sich ein ungutes Gefühl bei der rechtlichen Prüfung zeigt, wenn Hinweise des beauftragten Steuerberaters kommen zu befremdlichen Abrechnungen nicht definierter Dienstleistungen, müssen diese Beschäftigungsverhältnisse im Zweifel als abhängige Beschäftigungsverhältnisse dem notwendigen Anmeldeprozedere unterzogen werden.

Es gilt: die laufenden Sozialversicherungsabgaben, die den Unternehmer treffen, dürften um vielfaches geringer sein wie die Ansprüche, die auf ihn bei unsachgemäßer Handhabung des Beschäftigungsverhältnisses zu rollen.

Zugegeben: die Bandbreite der rechtlichen Beurteilung ist da, das Risiko des Fehlgriffs der richtigen sozialversicherungsrechtlichen Einschätzung (§ 7 SGB IV) erheblich. Im Zweifel muss davon ausgegangen werden, dass der Betroffene in Anweisungen und Organisationsstrukturen eingebettet ist.

Dies führt sehr schnell zur Bejahung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und damit zur Bejahung der Sozialversicherungspflichtigkeit des Beschäftigungsverhältnisses.

Wenn der Unternehmer wider bessere Einsicht und trotz eindringlicher Beratung des Anwalts den Mitarbeiter nicht anmeldet, schnappt die Falle zu.

Hamburg, den 31. Januar 2017